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Neuauszählung der Bundestagswahl?: 9528 Stimmen, die die Republik auf den Kopf stellen könnten
Wurden dem BSW zu Unrecht zu wenig Stimmen zugesprochen – und müsste die Partei eigentlich im Bundestag sitzen? In diesen Tagen kommt Bewegung in einen Vorgang, von dem niemand weiß, wie er ausgeht.
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Der Vorgang klingt bürokratisch, birgt aber Sprengkraft: BSW und AfD dringen auf eine Neuauszählung der Bundestagswahl. Dem BSW fehlten 9528 Stimmen, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen und in den Bundestag einzuziehen – damit hätte Schwarz-Rot keine Mehrheit gehabt.
Im Nachhinein wurden an mehreren Orten Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung bekannt – Missverständnisse oder Wahlzettel, die als ungültig gewertet wurden, obwohl sie es möglicherweise nicht waren.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht pocht daher seit dem offiziellen Wahlergebnis auf die Neuauszählung. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel appellierte Wagenknecht an Grüne und Linke, sich der Forderung anzuschließen.
Wagenknecht sprach von „belegbar systematischen Zählfehlern und Unregelmäßigkeiten zulasten des BSW“ bei der Bundestagswahl. Es gehe um eine Grundfrage der Demokratie. Auch Rechts- und Politikwissenschaftler argumentieren mittlerweile dafür, das Ergebnis der Wahl zu prüfen und neu zu zählen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor auf Klagen und Eilanträge reagiert, indem es auf den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages verwies. Dieser müsse zuerst über den BSW-Einspruch entscheiden. Bislang ist von dort allerdings – auch rund sieben Monate nach der Wahl – wenig zu hören.
Ausschussmitglieder unterstreichen Neutralität
Der Ausschussvorsitzende Macit Karaahmetoğlu (SPD) betonte seine Neutralität in der Angelegenheit. Schriftlich teilte er dem Tagesspiegel mit, normalerweise gebe der Wahlprüfungsausschuss keine Informationen zu Verfahrensständen nach außen. Aufgrund des großen Interesses kommuniziere man jedoch nun, dass insgesamt 1031 Einsprüche gegen die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag eingegangen seien, davon drei vom BSW.
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Die Forderung nach Neuauszählung werde nun priorisiert behandelt, es laufe eine Vorprüfung, in deren Rahmen Stellungnahmen der Bundeswahlleiterin und der Landeswahlleiter eingeholt wurden. Das BSW habe eine umfangreiche Erwiderung dazu geliefert, die derzeit ausgewertet werde. Dann werde geprüft, ob es weitere Informationen brauche. Nächster Schritt ist ein Entscheidungsvorschlag der zuständigen Berichterstatter für den Ausschuss.
Karaahmetoğlu betonte jedoch, dass eine Positionierung in der Sache der Prüfung vorgreifen würde, „was gänzlich inakzeptabel wäre“.
Ähnlich handhaben es die Grünen. Deren Abgeordnete Linda Heitmann ist Mitglied im Wahlprüfungsausschuss und hatte sich zuvor schon in der „Welt“ geäußert. Heitmann sagte, der Ausschuss kläre „sorgfältig und unabhängig, ob bei der Wahl alles rechtens verlief“. Heitmann fügte hinzu: „Die grüne Fraktion vertraut diesem bewährten Vorgehen und bringt sich im Ausschuss im Rahmen des nicht-öffentlichen Verfahrens ein.“
In der aktuellen Sitzungswoche werde dem Bundestag die erste Beschlussempfehlung zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl vorgelegt.
Auch die Linken halten sich zurück. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Ina Latendorf, sagte dem Tagesspiegel: „Die Stellungnahmen der Bundeswahlleiterin und der Landeswahlleitungen sowie die Erwiderung des BSW werden noch ausgewertet.“ Es müsse sorgfältig geprüft und dann entschieden werden. „Dem ist nicht vorwegzugreifen – so wie andere das jetzt tun.“
Die AfD hatte sich indes der Forderung des BSW angeschlossen. Dem „Stern“ sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Stephan Brandner: „Aus unserer Sicht muss so schnell wie möglich eine Entscheidung her.“ Die Auszählung von Wählerstimmen sei kein politischer Akt, sondern schlichte Mathematik.
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